„Man muss ein bisschen Mühe und ein bisschen Herzblut investieren, aber es zahlt sich aus.“
Fachkräfte vor der eigenen Haustür zu finden, ist heutzutage nicht so leicht. Das Unternehmen bip technology geht daher neue Wege und rekrutiert Mechatroniker und Elektriker auch im Ausland – und gewinnt damit Spitzenkräfte. Ein Bericht über einen Maschinenbauer aus Brandenburg an der Havel, der Vorreiter für andere Unternehmen sein will.
bip technology verkauft seine Maschinen in die ganze Welt. Europa, Mexiko, die Schweiz, Ägypten, Australien – sogar in China sorgen die Anlagen des Maschinenbauers aus Brandenburg an der Havel zur Wartung und Prüfung von Zugrädern mit Ultraschall für Sicherheit auf der Schiene, erzählt Wilfried Pieper, technischer Leiter von bip technology.
Doch Mitarbeitende zu finden, die die Maschinen bauen und im Ausland installieren, war nicht immer einfach. Vor allem, als gleich mehrere Fachkräfte gleichzeitig in Rente gingen. „Wir haben auch zwei Mitarbeitende aus der Region gewinnen können, haben aber in weiteren Bewerbungsgesprächen die Erfahrung gemacht, dass die betrieblichen Erfordernisse und die persönliche Bereitschaft, insbesondere was die internationalen Einsätze durch die überwiegende Exporttätigkeit der bip betrifft, sehr selten in Übereinstimmung zu bringen waren“, so Pieper. „Wir haben zu der Zeit sehr viele Bewerbungen aus dem Ausland erhalten und haben dann gesagt, okay, wir gehen jetzt in das Fachkräfteeinwanderungsverfahren und probieren das mal aus. Die ersten Schritte waren dann ein bisschen schwierig.“
6 Monate dauerte es, bis der erste Bewerber – ein Mechatroniker aus dem Iran – tatsächlich einreisen konnte. „Wir waren da positiv überrascht, ich habe nicht dran geglaubt, dass das klappen könnte, aber es hat geklappt“, resümiert Pieper. Problematisch wurde es erst danach. Die Ausstellung des Aufenthaltstitels, der Kontakt mit der Ausländerbehörde, die Suche nach einer Wohnung – der Weg war steinig und stellte das Unternehmen vor einige Herausforderungen. Davon entmutigen lassen wollte sich Wilfried Pieper nicht. „Es sind dadurch auch gute und produktive Kontakte entstanden, die uns bei den folgenden Prozessen geholfen haben.“ Denn bei dem Mechatroniker aus dem Iran sollte es nicht bleiben. Es folgten ein indischer Ultraschall-Ingenieur, ein brasilianischer Mechatroniker und ein Elektrotechniker aus Marokko.
Unterstützung für Unternehmen
Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren ist gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen eine große Herausforderung, weiß auch Natalia Kuchinina von der IHK Potsdam. Als Koordinatorin des Projekts „Hand in Hand for International Talents“ (HiH) bietet sie Unternehmen jeder Größe Unterstützung an. „Das ist einer der greifbaren Mehrwerte, die die IHK ihren Mitgliedern bietet. Zusammen mit der Agentur für Arbeit begleiten wir den gesamten Prozess der Fachkräfterekrutierung, von der Suche im Ausland über digitale Vorstellungsgespräche, die Anerkennung des Berufsabschlusses bis hin zur Unterstützung bei der Integration.“
Auch Wilfried Pieper hat mit HiH einen neuen Mitarbeitenden gefunden. André Alves ist Mechatroniker und wurde in seiner Heimat, der brasilianischen Großstadt Sao Paolo, von HiH auf das Leben und Arbeiten in Deutschland vorbereitet. Er hat einen Deutschkurs besucht und die Auslandshandelskammer in Brasilien unterstützte ihn bei der Anerkennung seines brasilianischen Berufsabschlusses und der Beantragung des Visums. Im Januar 2025 landete er schließlich am Flughafen Berlin/Brandenburg und wurde neuer Mitarbeiter bei bip technology.
Dass das Projekt „Hand in Hand for International Talents“ viele Vorteile bringt, bestätigt auch Egle Tonn, Geschäftsführerin von bip technology. „Das hat uns bei den bürokratischen Dingen sehr entlastet. Die waren aufbereitet und wir mussten nur prüfen und zusagen oder Dokumente nachreichen. Alles andere wurde geräuschlos im Hintergrund erledigt. Das war für uns eine richtig große Hilfe und ich glaube, auch für die Kollegen, die hierherkommen.“
Ohne das Team geht es nicht
André Alves jedenfalls sagt, dass er sich sehr gut aufgenommen gefühlt hat. Das Unternehmen hat eine Wohnung für ihn angemietet. Bei seiner Ankunft war sogar schon der Kühlschrank gefüllt. Für die Einrichtung haben die Kolleginnen und Kollegen Möbel gespendet, die sie nicht mehr benötigten.
Das Team von vorneherein bei der Entscheidung, eine Fachkraft aus dem Ausland einzustellen, miteinzubeziehen, ist laut Tonn einer der Schlüssel, damit die Integration ins Unternehmen gelingt. „Wir haben viele Gespräche im Vorhinein geführt. Und die Toleranz im Team wächst dann auch mit der Erfahrung, dass die Mitarbeiter aus dem Ausland Spitzenkräfte sind, die die Kollegen entlasten und super Arbeit leisten.“
Sprachbarrieren gab es dabei nie. „Man kann sich in der Technik so viel verständigen, durch Skizzen und durch Zeigen“, erzählt Wilfried Pieper.
Unternehmen, die überlegen, Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen, rät Geschäftsführerin Egle Tonn, einfach offen zu sein. „Man kriegt wirklich hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Wir haben jetzt einige Kollegen. Keiner davon hat gekündigt, wir wollen keinem davon kündigen und die entwickeln sich überdurchschnittlich schnell weiter. Und ja, man muss ein bisschen Mühe und ein bisschen Herzblut investieren, aber es zahlt sich aus.“
Und Mechatroniker André Alves? Der macht bereits Pläne zum Familiennachzug. Irgendwann will er seine 14-jährige Tochter nach Brandenburg nachholen. „Vielleicht kann sie hier eine Ausbildung machen.“
Autorin: Jeannette Herrmann